(Foto: BUND Louise Hummel-Schröter, Serbski Sejm, 2023)
09/05/2023

Bedrohung durch den Kohleabbau: Sorgen beim sorbischen Volk

Der Braunkohleabbau bedroht das sorbische Volk, am 7. Mai demonstrierte unter anderem eine politische Vereinigung der Sorben gemeinsam mit Naturschützern für den Stopp des Abbaus.

Am 7. Mai demonstrierte ein breites Bündnis aus Umweltverbänden, zivilgesellschaftlichen Akteuren und Partei-Jugendorganisationen gemeinsam mit mehreren hunderten Menschen am Tagebau Wochozy/Nochten in der Łužica/Lausitz für Klimagerechtigkeit und regionale Zukunftsperspektiven. Zur Demonstration aufgerufen haben BUND, BUNDjugend, Fridays for Future, Alle Dörfer bleiben, Greenpeace, Ende Gelände Leipzig, Klima Allianz Deutschland, Parents for Future, Serbski Sejm, Jugendforum Nachhaltigkeit Brandenburg, Grüne Liga, Linksjugend Sachsen, Grüne Jugend Sachsen und Jusos Sachsen. Der Protestzug fand sich am Bahnhof in Slepo/Schleife zusammen und zog dann zum Tagebau Nochten und einem von der Grünen Liga gepachteten und derzeit von der Enteignung bedrohten Waldstück weiter.

In einem gemeinsamen Aufruf fordert das Bündnis einen sozial gerechten Strukturwandel, der den Menschen in der Region nachhaltige Wertschöpfung und zukunftssichere Arbeitsplätze bietet, die Beschleunigung des dezentralen Ausbaus von erneuerbaren Energien und einen früheren Kohleausstieg in der Lausitz mit einem Abschaltpfad, der das 1,5-Grad-Budget nicht überschreitet.

Auch Anwohner*innen der umliegenden teils noch sorbischsprachigen Gemeinden beteiligten sich zahlreich an den Protesten. Edit Pjeńkowa, eine bekannte sorbische Braunkohle-Gegnerin aus Rownje/Rohne unterstützte die Demonstration und wünscht sich, „dass meine Kinder mal mit ihren Kindern zurückkehren können und ihnen zeigen können: Hier hat mal die Oma gelebt“. Edit Pjeńkowa ist eine der wenigen aktiven Sprecherinnen des Schleifer Dialektes (sorbisch Slepjanska narěč oder slepjanšćina), welcher ein Übergangsdialekt der ober- und niedersorbischen Sprachen ist.

Hagen Domaška, Vertreter des Serbski Sejm: „Der Braunkohlebergbau hat 130 unserer Dörfer zerstört, unsere Flüsse sind vergiftet und ausgetrocknet, unsere Wiesen und Felder sind in ‚Abraum‘ umgewandelt, unsere Kultur ist verdrängt. Dabei wurden wir nie gefragt, ob wir damit einverstanden sind. Der Braunkohlebergbau muss sofort aufhören. Mühlrose und die vom Tagebau bedrohte Kulturlandschaft muss für spätere Generationen erhalten bleiben. Das sorbische Volk muss den Strukturwandel mit bestimmen können.“

Eine aktuelle Studie der FossilExit-Forschungsgruppe an der Europa-Universität Flensburg und dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung kommt zu dem Schluss, dass die Lausitzer Kohlekraftwerke nicht mehr als 205 Millionen Tonnen Braunkohle verbrennen dürfen, wenn Deutschland seine Verpflichtung zum Pariser Klimaabkommen einhalten will. Des Weiteren zeigt die Studie, dass die Kohle unter dem bedrohten Dorf Miłoraz/Mühlrose zur Sicherung der Energieversorgung nicht benötigt wird. Für diese Tatsache spricht auch, dass es bis heute keinen bergrechtlichen Antrag auf Abbaggerung der Kohle gibt. Dennoch wird der Wald zerstört und die LEAG siedelt bereits einen Großteil der Bewohner um – einige wenige weigern sich jedoch zu gehen und sind fest entschlossen in Mühlrose zu bleiben. Das Bündnis fordert: Wer umsiedeln will, soll das auch können, aber wer bleiben will, muss bleiben können.

Karin Weitze von der GRÜNEN LIGA: „Der Tagebau Nochten muss verkleinert werden und mehr Abstand zu bewohnten Siedlungen halten. Gemeinsam mit den Eigentümern wehren wir uns gegen die von der LEAG beantragte Enteignung eines Waldes. Denn Kohleabbau kann in der Klimakrise kein überwiegendes öffentliches Interesse mehr sein, solche Eingriffe in Grundrechte sind nicht mehr zu rechtfertigen.“

Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt, Vorsitzender des BUND Sachsen: „Ein zeitnahes Ende der fossilen Brennstoffe ist für den Klimaschutz nötig – aber ebenso für den Naturschutz, für intakte Nährstoffkreisläufe und für Schadstoffreduktionen. Postfossilität ist auch der beste Weg zu langfristiger Versorgungssicherheit und zur Austrocknung des russischen Angriffskrieges, der sich mittelfristig auch gegen uns richten kann. Ein deutlich beschleunigter Kohleausstieg ist der erste Schritt. Besser sollte er noch vor 2030 kommen.“

David Dresen, Pressesprecher von Alle Dörfer bleiben: „Aktuelle Studien zeigen, dass die Braunkohle unter Mühlrose nicht benötigt wird. Zudem gibt es bis heute keine Genehmigung für die Abbaggerung des Dorfes. Die LEAG muss sofort aufhören, bleibewillige Bewohner durch unnötige Hausabrisse und psychischen Druck zur Umsiedlung zu drängen.“

Louise Hummel-Schröter von Parents for Future aus Dresden: „Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss mit attraktiven Beteiligungs- und Investitionsmöglichkeiten für Kommunen und Bürger entfesselt werden, gerade in Sachsen. Die Menschen müssen ihre Berührungsängste verlieren und Teil der bereits jetzt günstigsten Formen der Energieerzeugung sein wollen – und können. Günstig vor allem auch, wenn man sich neben dem Schutz des Klimas und den Klimafolgen die Ewigkeitskosten durch riesige Tagebaurestlöcher wie hier in Nochten ansieht.“

(Quelle: Pressemitteilung Minderheitensekretariat und Serbski Sejm, 07.05.2023)

(Foto: BUND Louise Hummel-Schröter, Serbski Sejm, 2023)