Vor der Debatte trafen sich die teilnehmenden Abgeordneten und Vertreter*innen der Minderheiten- und Regionalsprachen zu einem Austausch im Deutschen Bundestag. (Foto: Marieke Eilers, 2023)
13/03/2023

Deutscher Bundestag debattierte über Regional- und Minderheitensprachen

Der Deutsche Bundestag debattierte anlässlich des Inkrafttretens der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen vor 25 Jahren über und in den Minderheiten- und Regionalsprachen Deutschlands.

Am 2. März debattierte der Deutsche Bundestag nicht nur über, sondern auch in den Minderheiten- und Regionalsprachen Deutschlands. Anlass war das Inkrafttreten der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen vor 25 Jahren. Sie wurde am 24. Juni 1992 beschlossen, trat am 1. März 1998 in Kraft und gilt in 25 Ländern. In Deutschland werden im Rahmen der Sprachencharta seit Januar 1999 die Sprachen der anerkannten Minderheiten Dänisch, Ober- und Niedersorbisch, Nord- und Saterfriesisch, das Romanes der deutschen Sinti und Roma sowie die Regionalsprache Niederdeutsch geschützt und gefördert.

In der rund 40-minütigen Debatte meldeten sich elf Abgeordnete auch auf Niederdeutsch, Nordfriesisch, Sorbisch, Dänisch zu Wort. Dabei herrschte fraktionsübergreifend weitgehende Einigkeit, dass die Regional- und Minderheitensprachen insbesondere in den Bereichen Bildung, Medien und Verwaltung, aber auch im Arbeitsleben und öffentlichen Raum deutlich sichtbarer und stärker gefördert werden müssen.

Astrid Damerow, CDU-Abgeordnete für den Kreis Nordfriesland, hielt ihre Rede teils auf Friesisch. Deutschland könne mit Stolz auf seine Minderheitensprachenpolitik schauen, es gäbe aber auch immer noch viel zu tun. So bedürfe es mehr Zuverlässigkeit bei der finanziellen Förderung für die Arbeit der Minderheiten und Volksgruppen.

Sie wünsche sich, dass Minderheitensprachen im Fernsehen und Radio präsenter seien, auch bei der Bildungsarbeit für alle Minderheitensprachen in Schulen müssten noch stärkere Anstrengungen unternommen werden.

Damerow warb für eine bundesweite Stärkung der Wissensvermittlung zu allen vier nationalen Minderheiten und Volksgruppen und der Sprechergruppe Niederdeutsch in Schulen. Gerade in Zeiten des Ukrainekrieges und anderer Konflikte könne Schutz und Förderung nationaler Minderheiten und Volksgruppen auch aktive Friedenspolitik sein kann.

Auch Petra Pau, DIE LINKE, forderte dazu auf, die Wissensvermittlung zu den vier Minderheiten und der Sprechergruppe Niederdeutsch nicht nur als regionales Thema, sondern als ein bundesweites Anliegen zu begreifen. Ihre Partei unterstütze eine diesbezügliche Initiative des Minderheitenrates in Richtung Kultusministerkonferenz. 

„Auch Sachsen sollten etwas über Friesen wissen, Hamburger über Sorben usw. Kurzum: Die Kultur der Minderheiten sollte bundesweit vermittelt werden. Die Förderung der Kultur und der Sprachen muss sich übrigens auch im Haushalt niederschlagen, in der Aus- und Weiterbildung von Erzieherinnen und Erziehern, Lehrerinnen und Lehrern und auch darüber hinaus; auch das gehört mit dazu.“

Natalie Pawlik, SPD, Bundesbeauftragte für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten wies auf die gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Debattenthemas hin: „Der Austausch zwischen Mehrheits- und Minderheitensprachen, der Austausch zwischen den dazugehörigen Kulturen, die nebeneinander eigenständig existieren, ist für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft essenziell.“

Minderheitensprachen seien quicklebendig und Ausdruck gesellschaftlicher Vielfalt. „Für uns alle sind sie einzigartiger Bestandteil des kulturellen Lebens in Deutschland und in Europa. Es gilt jetzt, sie zu erhalten und zu fördern“, sagte Pawlik.

Simona Kos, SPD, begrüßte das Plenum auf Niedersorbisch. Auch sie wies auf den gesamtgesellschaftlichen Mehrwert von Minderheitensprachen hin: Ihre Stärkung bedeute für die Mehrheitsgesellschaft mehr kulturellen Reichtum; denn kulturelle und sprachliche Vielfalt seien nicht erst durch Zuwanderung nach Deutschland gekommen.

Ebenso wünsche sie sich, dass der Strukturwandel in der Lausitz auch zu einer Stärkung der sorbischen Sprache und Kultur führe.

Stefan Seidler, SSW, hielt seine Rede in den drei Regional- und Minderheitensprachen Nordfriesisch, Niederdeutsch und Dänisch. Regionale Sprachen und Minderheiten seien keine Selbstläufer, sie müssten gepflegt und unterstützt werden. Es bedürfe mehr Aufklärung und Informationen über die Regional- und Minderheitensprachen in Deutschland. Hier könne die Bundeszentrale für politischen Bildung mehr tun. Auch könne der Bundestag selbst ein Zeichen setzen, indem er im Internet auch in den Regional- und Minderheitensprachen über seine Arbeit informiere, schlug Seidler vor.

Der fraktionslose Abgeordnete sprach sich auch für die Unterstützung der Europäischen Bürgerinitiative Minority SafePack aus, die einen Maßnahmenkatalog zum Minderheitenschutz auf EU-Ebene vorsieht. Die Minderheiten stünden zusammen und arbeiteten gemeinsam für stärkere, bessere Minderheitenrechte, betonte Seidler.

Linda Heitmann, Abgeordnete von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aus Hamburg, mahnte mehr Sichtbarkeit der Regional- und Minderheitensprachen in wichtigen Bereichen, so auch in der Politik an. Die Charta verpflichte alle Vertragsstaaten, Minderheiten- und Regionalsprachen aktiv zu unterstützen und ihren Gebrauch zu fördern. Sie sollen nicht nur von einigen Menschen zu Hause gesprochen werden, sondern ebenso in den Schulen, in der Verwaltung und in den Medien.

Der Deutsche Bundestag selbst könne mit einer Aussprache auf Platt zur Innen-, Sozial- oder Klimapolitik einen guten Anstoß für den Gebrauch des Niederdeutschen im Alltag geben, empfahl Heitmann.

Auch Johann Saathoff, SPD, plädierte dafür, den Gebrauch des Niederdeutschen in allen Lebensbereichen zu stärken, sei es in Kindertagesstätten, Schulen, Pflegeheimen, in der Verwaltung oder vor Gericht. Auch in der Arbeitswelt müsse die Sprache präsenter werden. „Deswegen proten wi hier vandaag ok Platt.“

Gyde Jensen, FDP-Abgeordnete aus Nordfriesland, betonte, dass Minderheiten- und Regionalsprachen nicht nur geschützt, sondern auch jenseits von Klischees gebraucht werden müssten. Es ginge nicht um Fischbrötchen, Möwengeschrei und Folklore. Vielmehr müsse es alltäglich werden, dass Kinder sagten: ‚Papa, ich möchte auch Plattdeutsch mit dir sprechen‘ oder ‚Wo kann ich das lernen?‘

Beschlüsse zur Aufnahme anlässlich der Debatte vorgebrachter Forderungen wurden seitens des Bundestages allerdings nicht gefasst und stehen noch aus.

Vor der Debatte trafen sich Initiator*innen, Redner*innen sowie Vertreter*innen der Minderheiten- und Regionalsprachen zu einem gemeinsamen Austausch im Deutschen Bundestag. Im Gespräch mit den Abgeordneten Denise Loop, Filiz Polat, Linda Heitmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Johann Saathoff, Mathias Stein (SPD), Gyde Jensen (FPD), Astrid Damerow, Knut Abraham (CDU/CSU), Stefan Seidler (SSW, fraktionslos) und Natalie Pawlik (SPD), Bundesbeauftragte für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, stellten die Gruppen noch einmal in Kürze ihre zentralen Anliegen und Erwartungen an die Debatte vor.

Die Aufzeichnung der Debatte im Deutschen Bundestag und die Protokolle der Reden finden Sie hier:

https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw09-de-vereinbarte-debatte-933850 https://dserver.bundestag.de/btp/20/20088.pdf#P.10514

Eine ausgewählte TV-Berichterstattung zur Debatte finden Sie hier:

https://www.ndr.de/kultur/norddeutsche_sprache/plattdeutsch/Bundestag-snackt-Platt-Debatte-zum-Schutz-von-Minderheitensprachen,bundestag780.html

https://www.ardmediathek.de/video/tagesschau/tagesschau-20-00-uhr/das-erste/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL3RhZ2Vzc2NoYXUvNzQyZjE2ZjItZDI3My00ZTU5LWI0MGEtYTA3ZGEzOGFhOWQ0LzE