Künftig Saterfriesisch zu dem Ehemann sprechen, auch wenn man sich über ein halbes Jahrhundert immer nur auf Hochdeutsch unterhalten hat. Es war ein guter Vorsatz, der eine Teilnehmerin beim ersten saterländischen LISTEN-Training Montag Abend im Kulturhuus in Scharrel fasste. Sie erwartete, dass es nicht wirklich schwer sein würde: 9 auf einer Skala von 1-20. Eine andere Teilnehmerin wollte mit ihrer ebenfalls saterfriesischsprachigen Nichte künftig Saterfriesisch sprechen, da sie dies aus irgendeinem Grund nie taten. Diese Angewohnheit zu ändern kam ihr äußerst schwer vor: 20 auf der Skala. Um einiges einfacher machten es sich diejenigen, die während der nächsten Vereinstagung oder im erst nächsten Kontakt an der Supermarktkasse auf Saterfriesisch oder Plattdeutsch anfangen wollten.
Die LISTEN-Trainings im Saterland werden von Tjallien Kalsbeek vom Seeltersk-Kontoor geleitet. Ziel ist, bedrohte Sprachen wie Saterfriesisch und Niederdeutsch zu revitalisieren, indem die Menschen, die sie Sprechen zum Nachdenken über ihr eigenes Sprachverhalten angeregt werden. In vielen Fällen wollen sie nicht, dass ihre Lieblingssprache untergeht und sprechen sie auch am allerliebsten die eigene Sprache, aber sie trauen sich oft nicht, diese zu sprechen, weil sie meinen, dann nicht verstanden zu werden – oder einfach, weil sie es nicht gewohnt sind.
Während des Trainings erklärt die Leiterin die Psychologie das menschliche Sprachverhalten. Die Teilnehmer sprechen ihre Wünsche aus, beschreiben was sie daran ändern möchten und fassen pro Person einen guten Vorsatz. Der kann einfach sein: die Nachbarin, die gerne Saterfriesisch lernen möchte, das nächste Mal mit „Gouden Dai!“ zu begrüßen – aber er kann auch schwierig sein: Zu einer geliebten Person, mit der man immer Hochdeutsch gesprochen hat und die in Zukunft wohl auch in dieser Sprache antworten wird, künftig nur noch Saterfriesisch zu sprechen. Nichts ist jedoch verpflichtend: die Teilnehmer wählen nur Vorsätze aus, von denen sie meinen, dass sie auf Dauer Positives bewirken.
Tjallien Kalsbeek war über das erste Training, das prominente Mitglieder des Heimatvereins Seelter Buund als Teilnehmer hatte, begeistert. Sie hat sich in den Niederlanden zur LISTEN-Trainerin ausbilden lassen. Nun zum ersten Mal selbständig eine Gruppe von Saterländern im Training zu unterstützen war auch für sie spannend. Es ging jedoch alles sehr gut: in zweieinhalb Stunden wuchs das Verständnis unter den Teilnehmern und entstand bei vielen der Willen, das eigene Sprachverhalten zu befragen und es zu ändern. Frau Kalsbeek gab ein gutes Vorbild ab: als geborene Westfriesin aus den Niederlanden gab sie an, selber in ihrer Heimatregion öfter auf Friesisch statt auf Niederländisch anfangen zu wollen. Während des Kurses sprach sie Hochdeutsch und ermutigte die Anwesenden, alle ihre Lieblingssprache – sei es Hochdeutsch, Niederdeutsch oder Saterfriesisch – zu sprechen.
Das LISTEN-Projekt wird von der Europäischen Union gefördert. Die Trainings werden zur Zeit in fünf mehrsprachigen Regionen angeboten: Valencia in Spanien, Siebenbürgen in Rumänien, Wales im Vereinigten Königreich, Irland, der niederländischen Provinz Fryslân und dem Saterland. Die benötigten Materialien wurden vom friesisch-niederländischen Verlag Afûk zur Verfügung gestellt. Im Saterland können sich Gruppen bis ungefähr zehn Personen anmelden. Vereinsvorstände, Chöre, Kollegen, Freundeskreise – alle sind willkommen.
Wie es um die neue Zweisprachigkeit im Haushalt und die anderen guten Vorsätze steht, erfährt Tjallien Kalsbeek im April. Dann steht das zweite, abschließende Treffen mit dieser Gruppe an und berichten alle Teilnehmer über ihren Fortschritt. Für die zwischenliegenden Wochen haben sie für zuhause Lern- und Übungsmaterialien mitbekommen, um besser zu verstehen, worauf die eigene Sprachwahl basiert.
(Quelle: Pressemitteilung Seeltersk-Kontoor, 07.03.2023)
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