***Auszug aus dem Artikel von Walter Turnowsky in Der Nordschleswiger***
Der aus Flensburg stammende deutsche Klima- und Wirtschaftsminister Robert Habeck nutzte eine Pressekonferenz in Kopenhagen dazu, daran zu erinnern, dass das friedliche Miteinander im Grenzland, alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist. Noch 2005 sei die Partei der dänischen und friesischen Minderheit, der SSW, diffamiert worden.
Am Freitag haben der deutsche Klima- und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und der dänische Erwerbsminister Morten Bødskov (Soz.) eine Initiative zur Förderung des Grenzlandes als grünen Industriestandort in Kopenhagen vorgestellt. Die Region soll grenzüberschreitend eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung klimagerechter Lösungen spielen. Eine Antwort Habecks auf eine Frage des „Nordschleswigers“ bei der Pressekonferenz fiel deutlich ausführlicher als erwartet aus.
Herr Habeck, Sie sind bekanntlich selbst aus dem Grenzland, wie werden die Menschen dort das spüren, was Sie heute besprochen haben?
„Ich gehe gleich auf ihre Frage konkret ein, aber erlauben sie mir einen kleinen, historischen Ausflug. Gerade, weil ich aus dem Grenzland komme, will ich auf etwas hinweisen, was hier so selbstverständlich ist: Zwischen Deutschland und Dänemark passt kein Blatt – und die halbe dänische Handballnationalmannschaft spielt in Flensburg oder in einem anderen deutschen Verein, und dass das mit den verbundenen Fahnen (Habeck hatte eine Anstecknadel mit der deutschen und der dänischen Flagge am Revers, Red.), nicht die Selbstverständlichkeit war.
Vor 150 Jahren haben sich unsere Ururgroßväter die Köpfe eingeschlagen und totgeschossen. Der europäische Konflikt 1860 fortfolgende war der deutsch-dänische Grenzkonflikt. Und noch nach dem Zweiten Weltkrieg war es nicht einfach möglich, dass sich die Regierungen der beiden Staaten gemeinsam getroffen haben.
Die Bonn-Kopenhagener Erklärung (zu den Rechten der Minderheiten, Red.) heißt Bonn-Kopenhagener Erklärung, weil sie in Bonn und Kopenhagen unterzeichnet wurde, weil sich damals die Regierungen nicht einigen konnten, gemeinsam in einen Raum zu gehen. Sie haben dann das Problem gelöst, indem jede Regierung in ihrer eigenen Souveränität für sich dasselbe für die jeweils andere Seite beschlossen hat. Es ist noch nicht so lange her, dass die Zusammenarbeitsmöglichkeiten in Europa nach den fürchterlichen Kriegen so verkantet waren, dass man einen diplomatischen Umweg gehen musste.
Seitdem ist unglaublich viel passiert, auch in den letzten Jahren und Jahrzehnten. Die deutsch-dänische Freundschaft ist Realität geworden. Von einem Beäugen der jeweiligen Minderheit darf ich heute sagen, gibt es einen Stolz in einem Zweikultur-Raum zu leben.
Als 2005 in Schleswig-Holstein der SSW, die Partei der dänischen Minderheit, die Minderheitsregierung von Heide Simonis (SPD) unterstützen wollte, gab es eine unangenehme Kampagne, dass eine deutsche Regierung doch nicht von Dänen unterstützt werden kann. Als 2012 die sogenannte Küstenkoalition (SPD, Grüne und SSW, Red.) geschmiedet wurde – ich war ja damals Minister –, war davon keine Rede mehr.
Ich kann da aus meiner eigenen Biografie viel ableiten. In den letzten 20 Jahren ist aus einer politischen Partnerschaft tatsächlich ein gemeinsamer Grenzraum geworden, wo alle stolz darauf sind, in diesem Grenzraum zu leben. Die Grenze ist keine Trennungslinie mehr, sondern hat sich zu einer Magnetlinie entwickelt, die eine eigene Kraft entwickelt hat. So ist zumindest mein Lebensgefühl, wenn ich in Sønderborg und Flensburg unterwegs bin.
„Ich kann bestätigen, dass Flensburg-Handewitt Deutschland und Dänemark eng verbindet“, ergänzte Morten Bødskov, dänischer Minister für Wirtschaftsförderung und Betriebe, „Ich habe selbst ein wenig Handball gespielt, und wenn man guten Handball sehen möchte, fährt man in die Flens-Arena.“ Dies sei nur ein Beispiel für die grenzüberschreitenden Bande, die über die Generationen gewachsen seien. „Unsere dänisch-deutsche Zusammenarbeit wird international als Vorbild gerühmt, für Länder, bei denen es Herausforderungen bezüglich der Grenze gibt. Diese Zusammenarbeit müssen wir weiter stärken“, so der dänische Wirtschaftsminister.
(Quelle: Pressemitteilung Walter Turnowsky in Der Nordschleswiger, 26.03.2023)
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