»Seit Beginn des russischen Angriffskrieges beobachten wir, dass aus der Ukraine geflüchtete Rom*nja nicht als Schutzsuchende, sondern als illegitime Geflüchtete markiert werden. So werden verschiedene schutzbedürftige Gruppen gegeneinander ausgespielt. Krieg und Krisen verstärken Antiziganismus – auch in Berlin. Die Konsequenzen sind in allen Lebensbereichen spürbar und können lebensbedrohliche Ausmaße annehmen. Als Rom*nja gelesene Menschen werden in Unterkünften benachteiligt, von Versorgungsstrukturen und häufig vom Bildungssystem ausgeschlossen und erfahren in der Öffentlichkeit und in den Medien vermehrt antiziganistische Anfeindungen oder gar Übergriffe«, so Violeta Balog, Vorstandsmitglied von Amaro Foro e.V. und Projektleiterin der Dokumentationsstelle Antiziganismus (DOSTA).
DOSTA hat 2021 und 2022 insgesamt 372 Vorfälle in Berlin dokumentiert und verzeichnet damit die höchsten Fallzahlen seit Projektbeginn. Von einer hohen Dunkelziffer ist auszugehen. Im Lebensbereich Bildung wurden im Vergleich zu den Vorjahren besonders viele Fälle gemeldet; eine Studie zum Thema ist in der Auswertung enthalten. Den kompletten DOSTA-Bericht finden Sie HIER.
»Das Recht auf Bildung gilt für alle Kinder, unabhängig vom Aufenthaltsstatus«, erläutert Balog, »und doch erfahren junge Menschen mit selbst- oder fremdzugeschriebenem Roma-Hintergrund im Bereich Bildung eine deutliche Benachteiligung. Ihnen wird z. B. ein Schulplatz verwehrt, sie sind von rassistischem Mobbing durch Mitschüler*innen betroffen oder Lehrkräfte schüren antiziganistische Klischees. Hier fehlen unabhängige und niedrigschwellige Beschwerdestellen mit tatsächlicher Handlungsmacht. Denn antiziganistische Diskriminierung im Kindesalter kann sich auf die gesamte Bildungsbiografie auswirken und die Chancen von Rom*nja und so gelesenen Menschen deutlich einschränken.«
Auch das in der Auswertung enthaltene Medienmonitoring der Berliner Zeitungen zeigt: Das Leben und die Unversehrtheit von Rom*nja scheinen in der Dominanzgesellschaft weniger von Interesse zu sein. Drei Fälle tödlicher Polizeigewalt fanden kaum den Weg in die Öffentlichkeit, während die Berichterstattung über die Ankunft von Geflüchteten aus Moldau und der Ukraine von antiziganistischen Stereotypen geprägt war. Welche Gefahr diese Diskurse der Delegitimierung und Kriminalisierung für die Betroffenen bewirken können, wird weiterhin konsequent unterschätzt.
Die Dokumentationsstelle Antiziganismus (DOSTA) existiert bei Amaro Foro seit 2014 und war bis 2022 das einzige Projekt dieser Art. Wir dokumentieren antiziganistische Vorfälle in Berlin in allen Lebensbereichen. Mit gezielter Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit machen wir auf Antiziganismus aufmerksam und sensibilisieren politische und soziale Akteure ebenso wie die Medien.
»Wir freuen uns sehr, heute auch den Fotopool von Amaro Foro zu veröffentlichen. Seit Jahren beobachten wir visuelle Stereotype in den Medien: Texte, in denen es um Antiziganismus oder um Rom*nja und Sinti*zze geht, werden häufig mit Bildern versehen, die Armut und Elend zeigen sollen. Die Betroffenen sind oft nicht als Individuen abgebildet, sondern werden visuell zu Fremden, zu Anderen gemacht. Unser Fotopool ist der erste, der sich dezidiert antirassistisch positioniert und sich auf Bilder in diesem Themenbereich fokussiert«, so Andrea Wierich, Projektleiterin des Medienprojekts von Amaro Foro e.V.
Die Bilder stehen kostenlos für Redaktionen zur Verfügung und sind in Kategorien wie »Antiziganismus« oder »Roma-Selbstorganisationen« geordnet sowie mit Schlagworten versehen. Der Pool wird kontinuierlich erweitert, für dieses Jahr sind bereits mehrere Shootings geplant. Als Selbstorganisation können wir sicherstellen, dass Rom*nja und Sinti*zze bei allen Arbeitsschritten die Entscheidungsmacht haben. Mit dem Fotopool stellen wir Medienschaffenden selbstbestimmte Bilder zur Verfügung – auf Augenhöhe und ohne Klischees. Jetzt gibt es keine Ausreden mehr.
(Quelle: Pressemitteilung Amaro Foro e.V., 29.03.2023)
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