(Foto: Friedrich-Ebert-Stiftung)
29/09/2023

Jeder Zehnte in Deutschland ist Minderheiten gegenüber feindselig eingestellt

Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat ihre alarmierende „Mitte-Studie“ 2022/2023 über rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen und Hintergründe in der Gesellschaft veröffentlicht.

Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma nimmt mit großer Sorge die Ergebnisse der von der Friedrich-Ebert-Stiftung veröffentlichten „Mitte-Studie“ 2022/2023 über rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen und Hintergründe in der Gesellschaft zur Kenntnis.

So geht aus der Studie hervor, dass die Zustimmung zu rechtsextremen Aussagen in Deutschland deutlich angestiegen ist. Acht Prozent der Befragten haben demnach ein manifest rechtsextremes Weltbild – jede zwölfte Person –, in den Erhebungen der vergangenen Jahre waren es zwischen zwei und drei Prozent. Mit fast 6 % stimmten die Befragten außerdem vermehrt sozialdarwinistischen Ansichten zu, beispielsweise der Aussage: „Es gibt wertvolles und unwertes Leben.“ In den Vorjahren belief sich dieser Prozentsatz auf 2-3 %. Gemäß der Studie wuchs auch der Graubereich zwischen Ablehnung und Zustimmung zu den rechtsextremen Einstellungen deutlich an, rechts der Mitte verorteten sich mit 15,5 % deutlich mehr Befragten als noch in den Vorjahren (10%).

Rechtsextreme Einstellungen sind gekennzeichnet von der behaupteten Überlegenheit und Vorherrschaft gegenüber anderen „Völkern“, Nationen und Gruppen sowie der damit einhergehenden Ablehnung demokratischer Werte, beispielsweise der Würde aller Menschen und des Minderheitenschutzes. Dementsprechend nahmen auch rassistische, antisemitische und antiziganistische Sichtweisen deutlich zu. So übersteigt die Tendenz zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit 2022/2023 sogar das hohe Vor-Corona-Niveau von 2018/19. Jeder zehnte Befragte ist dabei gemäß der aktuellen Mitte-Studie grundsätzlich verschiedenen Minderheiten in der Gesellschaft gegenüber feindselig und diskriminierend eingestellt. Etwas mehr als ein Viertel der Befragten (28 %) halten Sinti und Roma „eher“ oder „voll und ganz“ für kriminell. Im Vergleich zu 2020/21 ist dieser Wert um 10% gestiegen und ähnlich groß wie in der Studie 2018/19 (26 %).

Zu bemängeln ist, dass Antiziganismus in der neuen „Mitte“-Studie im Zugang und bei den Fragestellungen zur Erfassung von Rechtsextremismus keine Rolle spielt. Spätestens die Ergebnisse der Unabhängigen Kommission Antiziganismus der Bundesregierung, die 2021 in deren Bericht veröffentlich wurden, zeigten deutlich das Ausmaß antiziganistischer Einstellungen in allen gesellschaftlichen und politischen Bereichen auf.

Antiziganismus ist bei weitem gesamtgesellschaftlich noch nicht so geächtet wie erforderlich und wird daher auch mit weniger Hemmungen zum Ausdruck gebracht. Zudem werden antiziganistische Einstellungen in Politikbereichen wie Flüchtlings- und Asylpolitik oder auch im Bereich der sog. „Clankriminalität“ politisch missbraucht. Daher sollte Antiziganismus bei der Erfassung von Rechtsextremismus berücksichtigt werden.

Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma ist äußerst besorgt über den in der „Mitte“-Studie deutlichen und messbaren Anstieg rechtsextremer und rassistischer Einstellungen in der Gesellschaft. Die Bekämpfung von Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und anderer Formen Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die auf kultureller, politischer und gesellschaftlicher Ebene angegangen werden muss, um die demokratischen Werte der Bundesrepublik zu verteidigen und zu stärken.

 

(Quelle: Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, 28.09.2023)