(Foto: Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA))

Jahresbericht 2022 der MIA zu antiziganistischen Vorfällen in Deutschland

24/09/2023
Die Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA) veröffentlichte ihren ersten Jahresbericht und präsentierte dessen Ergebnisse auf der Bundespressekonferenz in Berlin.

Am 18.09.2023 veröffentlichte die bundesweite Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA) ihren ersten Jahresbericht und präsentierte dessen Ergebnisse auf der Bundespressekonferenz in Berlin.

Für das Jahr 2022 haben MIA und ihre regionalen Meldestellen bundesweit insgesamt 621 antiziganistische Vorfälle erfasst. Die für das Jahr 2022 erfassten Vorfälle zeigen, dass Antiziganismus für Betroffene alltäglich ist. Jeder vierte Vorfall (158 Fälle) lässt sich dem Alltag zuordnen. Auch im Wohnkontext (121 Fälle) sowie im Umgang mit Behörden (119 Fälle) sind zahlreiche Vorfälle erfasst worden.

Bei den Vorfällen stechen besonders zwei Aspekte ins Auge: Mehr als die Hälfte der Vorfälle fiel auf die Vorfallart der Diskriminierung. Etwa die Hälfte der Fälle antiziganistischer Diskriminierung fand auf institutioneller Ebene statt. Besonders gravierende Vorfälle fanden sich im Kontext von Polizei, Jugendamt, Jobcenter sowie von kommunalen Verwaltungen, die für die Unterbringung von Geflüchteten zuständig sind. Dass so viele der Vorfälle im Kontext von staatlichen Behörden stattfinden, zeigt die immense Lücke des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) auf, welches sich aktuell auf den Bereich des privaten Rechts beschränkt. MIA fordert eine Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, so dass Diskriminierung durch staatlich Behörden geahndet werden kann.

Die zweite auffällige Entwicklung ist der Antiziganismus gegenüber geflüchteten Roma aus der Ukraine. Die Benachteiligung von ukrainischen Roma durchzieht verschiedene Lebensbereiche von der Einreise über die Unterbringung bis hin zum Bildungsbereich. In etwa einem Siebtel der dokumentierten Fälle von Antiziganismus waren ukrainische Roma betroffen.

Dr. Mehmet Daimagüler, Beauftragter der Bundesregierung gegen Antiziganismus und für das Leben der Sinti und Roma in Deutschland, betont daher: „Die Politik ist aufgerufen, Vorhaben zum Schutz vor Rassismus, Diskriminierung und für die Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts voranzutreiben. Dazu gehört unter anderem eine strukturelle Unterstützung der Betroffenen von Hasskriminalität durch Rechtshilfefonds und Beratungsnetzwerke.“

Im ersten Jahr der Dokumentation bundesweiter antiziganistischer Vorfälle fehlt es noch an Vergleichsdaten, um Entwicklungen abbilden zu können. Mit den von MIA dokumentierten Vorfällen wird auch nur ein kleiner Teil des immensen Dunkelfeldes von antiziganistischen Vorkommnissen erhellt. Dennoch geben die Daten einen ersten Überblick über das Ausmaß und die Dimensionen von Antiziganismus in Deutschland. Dr. Guillermo Ruiz, Bundesgeschäftsführer von MIA, äußert dazu: „Alle sind aufgerufen, antiziganistische Vorfälle zu melden und ihre Stimme gegen Antiziganismus zu erheben.“

Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma betonte, dass der Bericht einen strukturellen Antiziganismus offenbare und deutlich die Gefahren des Rechtsextremismus in Deutschland aufzeige. Dieser werde von einem vorurteilsbehafteten Bild von Sinti und Roma in Gesellschaft und Medien genährt. „Die Bekämpfung des Antiziganismus kann nicht die Aufgabe der Minderheit, sondern muss eine Aufgabe unserer gesamten Gesellschaft sein“ , betonte Rose.

Am darauffolgenden Tag lud die Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA) zu ihrem ersten Jahreskongress in die Urania Berlin ein, und mehr als 150 Gäste aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft, Aktivist_innen und Fachexpert_innen kamen, darunter Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Dr. Mehmet Daimagüler, Beauftragter der Bundesregierung gegen Antiziganismus und für das Leben der Sinti und Roma in Deutschland, und Ferda Atamann, unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung und Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Doreen Denstädt, Ministerin für Migration, Justiz und Verbraucherschutz und Beauftragte gegen Antiziganismus und für das Leben der Sinti und Sintizze sowie Roma und Romnja in Thüringen, betonte: „Sowohl in institutionellen als auch in gesellschaftlichen Kontexten lässt sich eine hohe Kontinuität von antiziganistischen Denk- und Handlungsmustern erkennen. Schon vermeintlich unschuldigen oder unbewussten Tradierungen stereotyper Darstellungen von Sinti:ze und Rom:nja ist entgegenzutreten. Weil sie Menschen verletzen. Und weil sie denjenigen Kräften in die Karten spielen, die unter Rückgriff auf überkommene Ressentiments ihre Menschenverachtung verbreiten.“

Hier geht es zum Bericht.

(Quelle: Minderheitensekretariat und Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA), 18.09.2023)